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Waldgedanken

Ein Spaziergang durch den Hegbachwald. Die Vegetationsperiode ist vorbei. Das Herbstlaub ist zu Boden gefallen, die Bäume sind kahl. Die Auswirkungen des Auguststurms 2019 sind jetzt klar und weithin sichtbar. Manches Waldstück, das im Sommer noch dicht und lebendig aussah, entpuppt sich nun als dürrer Baumstreifen, durch dessen karges Geäst man schon die nächste Straße, Autobahn, Eisenbahnlinie, das nächste Siedlungs- oder Industriegebiet sehen kann – oder den nächsten Kahlschlag. Schmerzlich wird klar, dass unser Wald nur noch ein immer kleiner werdender Flickenteppich ist, zerschnitten durch Schneisen, entwaldete Flächen, Kiesgruben und Verkehrsbauten (und wie ist eigentlich dieses Sandsteinwerk mitten in die Natur gekommen? Wer hat da mit wem Golf gespielt?) Es ist die Zeit von HessenForst. Die “Aufräum”-Arbeit in unseren Wäldern werden wieder aufgenommen. Überall verwandeln Harvester den von Sturm und Trockenheit in die Knie gezwungenen Wald in riesige Holzstapel, die am Wegesrand aufgeschichtet sind. Na, dann haben wenigstens die Parteigänger der Grünen, die mal einer  “FDP für Liegeradfahrer” getauft hat, ihre gewissensberuhigenden Pellets zum umweltverträglichen Heizen. Wann wird das alles – wenn überhaupt – wieder aufgeforstet? In den Waldwirtschaftsplänen liest sich das alles rein kaufmännisch. Die Holzpreise sind im Keller, die “Holzernte lohnt nicht”, das “Kalamitätsholz” und das “Käferholz” machen nur Arbeit und bringen wenig Geld. Eine geregelte “Waldwirtschaft” ist vielerorts kaum noch möglich. Das Geld für Stecklinge ist knapp. Hat da jemand das Wort “Katastrophe” in den Mund genommen?  Aber nein. Alle zucken die Schultern und machen weiter, als wäre nichts gewesen. Neunzehn Hektar Verlust durch Waldbrand am Stadtrand von Walldorf? Geht uns nichts an – war nicht unsere Gemarkung, gehört zu Frankfurt. Die ganze Sorge der Krisenmanager besteht darin, die Kosten der Brandbekämpfung durch unsere Feuerwehr irgendwie der Stadt Frankfurt in Rechnung zu stellen. Ordnung muss sein. Und die Sturmbrache am Hegbachweg? Alles ist gut – HessenForst räumt doch ordentlich auf.

Und was machen Landes- und Kommunalpolitiker bürgerlicher Parteien, wenn sie in ihren umweltgerecht sonnenpaneelten und passivhausstandardisierten Regierungsgebäuden und Rathäusern sitzen? Sie machen Pläne. Die Südumgehung ist noch lange nicht vom Tisch, es soll alles nochmal von vorne neu geplant werden. Die B 486 nach Langen soll verbreitert werden. Das Industriegebiet wird nach Osten erweitert. Eine ICE-Strecke wird entlang der A5 von Frankfurt nach

Darmstadt führen (Spötter bemerkten, “Die Oberleitung ist schon da”). Darüber hinaus wird überall noch im “kleineren” Maßstab abgeholzt – ein paar nicht standsichere Bäume hier, ein paar Bäume mit “Zopftrocknis” dort – ein bisschen Borkenkäferwald, ein bisschen Windbruch, ein bisschen “Verkehrssicherung”, wie z.B. an der Abzweigung von der B44 zum Walldorfer Badesee. Das läppert sich? Ach was. Für unsere “Entscheider” scheint der Wald noch immer ein unerschöpfliches Reservoir zu sein, dem man so viele Bäume “entnehmen” kann, wie man nur möchte. Wie lange noch?  Katastrophe ist immer woanders. In Kalifornien, in Brasilien, in Sibirien, in Australien brennen riesige Wälder. Schlimm, schlimm. Aber bei uns muss man sich doch keine Sorgen machen – es ist doch alles geplant, organisiert und geregelt. Der Wald ist peinlich genau verwaltet, und alles hat seine Ordnung. Wir schlittern nicht in eine Katastrophe, wir tappen langsam, Schritt für Schritt und sehenden Auges hinein. Und hinterher, wenn wir das Wasser palettenweise im Supermarkt kaufen müssen, und den Sauerstoff in Preßluft-Flaschen aus dem Taucher-Shop? Dann will’s wieder keiner gewesen sein. Wetten?

Published inAllgemein